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Fingerzeige.

kleine Geschichten
von Anthony de Mello

Inhaltsübersicht

Ohne Begriff
Hinweise
Ein Finger
Begriffen
Die Perspektive

Stern

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Ohne Begriff

Der Meister warnte beharrlich vor dem Versuch, die Wirklichkeit in einen Begriff oder in einen Namen zu fassen.

Ein Student der Mystik stellte einmal die Frage: “Wenn Sie vom Sein sprechen, Sir, meinen Sie damit das ewige, transzendente Sein oder das transiente, kontingente Sein?”
Der Meister schloss seine Augen und dachte nach. Dann öffnete er sie, setze seine entwaffnendste Miene auf und sagte: “Ja!”

Später sagte er: “Sobald Du einen Namen für die Wirklichkeit nimmst, hört sie auf, die Wirklichkeit zu sein.”

“Auch dann, wenn Du es Wirklichkeit nennst?”, fragte schelmisch ein Schüler.

“Selbst dann, wenn Du es `es´ nennst.”




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Hinweise

Der Meister sah es als seine Aufgabe an, jedes statische Lehr- oder Glaubenssystem, jeden Begriff vom Göttlichen zu zerstören, da diese ursprünglich als Hinweise gedachten Dinge immer als Beschreibungen genommen werden.

Er zitierte dabei mit Vorliebe das orientalische Wort:

“Wenn der Weise auf den Mond zeigt,
  sieht der Idiot nur den Finger.”

Zeigefinger

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Ein Finger

Eine religiöse Überzeugung”, sagte der Meister, “ist keine Aussage über die Wirklichkeit, sondern nur ein Hinweis, ein Fingerzeig auf etwas, das ein Geheimnis darstellt und jenseits des dem menschlichen Verstand Zugänglichen liegt. Kurz gesagt, eine religiöse Überzeugung ist nur ein Finger, der auf den Mond zeigt.

Manche Leute kommen über das Studium des Fingers nicht hinaus. Andere sind damit beschäftigt, an ihm zu lutschen. Wieder andere gebrauchen den Finger, um sich damit die Augen zuzudrücken. Das sind die frommen Eiferer, die die Religion blind gemacht hat.

Tatsächlich sind diejenigen selten, die den Finger weit genug von sich halten, um zu sehen, worauf er hinweist - es sind jene, die der Blasphemie bezichtigt werden, weil sie über Glaubensüberzeugungen hinausgegangen sind.”




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Begriffen

Eines Nachts führte der Meister die Schüler auf das freie Feld unter einem sternenübersäten Himmel. Während er dann zu den Sternen zeigte und dabei die Schüler ansah, sagte er:
“Jetzt konzentriere sich jeder auf meinen Finger.”

Sie begriffen den Punkt.



 

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Die Perspektive

Später ließ der Meister die Schüler in den Genuß seiner astronomischen Kenntnisse kommen:

“Das ist das Sternensystem des Andromeda-Nebels”, erklärte er. “Es ist so groß wie unsere Milchstraße und sendet Lichtstrahlen aus, die mit einer Geschwindigkeit von 300 000 Kilometern in der Sekunde zweieinhalb Millionen Jahre zu uns auf die Erde brauchen. Der Andromeda-Nebel besteht aus hunderttausend Millionen Sonnen, die viel größer sind als unsere Sonne.”

Nach einer Weile des Schweigens sagte er mit einem Lächeln: “Nachdem wir nun die richtige Perspektive haben, lasst uns zu Bett gehen.”

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http://www.feliz.de/html/finger.htm